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Porzellan & Pressglas

0.03 a  Kleiner Porzellanteller

  • Weiß, mit Resten alter Vergoldung.
  • D: 15,5 cm; H: 2,2 cm
  • Blaue Schwertermarke, braunes B, grün: I 8.
  • Herst.: Meißen.
  • Form und Dekor: weitgehend identisch mit 0.03.


0.13 a  Porzellantasse

  • Weiß, mit Resten alter Vergoldung.
  • D(ohne Henkel): 8,7 cm; H(ohne Henkel): 7 cm.
  • Blaue Schwertermarke, weitere Zeichen unleserlich.
  • Herst.: Meißen.
  • Form und Dekor: weitgehend identisch mit 0.13.


 

Auf der Suche nach Preßglas begegnet man hin und wieder weißen Tassen oder Tellern aus Porzellan, teilweise reich vergoldet, die in Form und Dekor an Preßglasstücke von Baccarat oder St. Louis erinnern. Sieht man sich die Stücke genauer an, stellt man fest, daß es sich um Meißner Porzellan handelt. Sie ähneln nicht den entsprechenden Preßglasstücken, sie sind beinehe identisch: die gleiche Form, beinahe die gleichen Maße, das gleiche Dekor mit sablé-Grund, Spitzsteineln, Rocaillen.

Seit einiger Zeit weiß man, daß diese Porzellanprodukte aus Meißen nicht Einzelstücke, Kuriosa, seltene Anleihen der Königlichen Manufaktur bei der billigen Preßglaskonkurrenz sind.  25 Jahre lang, von 1831 bis 1855 waren diese billigen "Geschirre nach Glasmustern" der Verkaufsschlager der Manufaktur, ein Exportartikel weltweit, der in manchen Jahren beinahe die Hälfte des Umsatzes ausmachte.

In diesen Jahren kaufte die Meißner Manufaktur gezielt Glasprodukte aus Frankreich, Böhmen, den USA, vielleicht auch aus Belgien und Holland, stellte Abgüsse her und fertigte daraus eigene Preßformen. Tassen, Vasen und andere Hohlgläser konnte man unverändert, sozusagen 1 zu 1, übernehmen, bei flachen Objekten, deren Dekor auf der Unterseite als Bas-Relief durch das Glas hindurch zu sehen war, mußte das Dekor auf die Oberfläche gebracht werden, bei Untertassen brauchte man einen dekorlosen Spiegel als Standfläche für die Tasse. Meist waren die Stücke weiß, gelegentlich farbig glasiert und immer mit Vergoldung versehen.

Ein Verzeichnis der Formen von 1834  bis 1845 gibt einen guten Eindruck von den Ausmaßen des Produktionsprogramms: Hunderte von Vasen, Kännchen, Tellern, Tassen, Schalen, Fußbechern, großen und kleinen Fußschalen, Kerzenständern etc. wurden angeboten. Sehr häufig liest man den Zusatz "n. Gl." oder "Gl. M" – "Gl." für Glas. Zeitweilig war die Nachfrage nach dieser Billigware so groß, daß es zu Liefer -schwierigkeiten kam, oder man war gezwungen, um das Bedürfnis nach Neuerungen zu befriedigen, eigene Muster zu erfinden, weil der Glasmarkt nichts Neues mehr zu bieten hatte. Anfang der fünfziger Jahre ließ das Käuferinteresse nach, der Geschmack hatte sich gewandelt, und 1855 wurde die Produktion eingestellt. Die Formen wurden vernichtet und in den Folgejahren wurden die letzten Lagerbestände verkauft. Die Manufaktur konnte  sich wieder auf Luxusware konzentrieren.

Die Kunstkritik des 20. Jahrhunderts hat kein gutes Haar an diesen Produkten gelassen und sich ähnlich abfällig darüber geäußert wie Pazaurek in Bezug auf das französische Preßglas. Und die Manufaktur selber hat, wie einer Bemerkung von Frau Spillman zu entnehmen ist, noch in den 1960ern  auf die Anfrage eines amerikanischen Sammlers sich nur verschämt zur  Vaterschaft bekannt.

 

Die Informationen dazu habe ich dem bahnbrechenden Aufsatz von Joachim Kunze, "Meißner Porzellan nach Kristallmustern (1831-1855)", entnommen, der im Juli 1984 in Keramos (Heft 105) erschien. (Auch: Glass Club Bulletin 153 und 154, Herbst/Winter 1987 des National American Glass Club.) Auszüge daraus, weitere Texte von Spillman und Franke und Belege dazu in P-K 2000/2, S. 29-45. Eine ausführliche Untersuchung über die Herkunft der einzelnen Vorbilder für die Meißner Produkte scheint es nicht zu geben.

 

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Weitere Texte über Glas.

 

© Copyright 2001-2008  Simon Becker.  Stand dieser Seite: Donnerstag, 2. Oktober 2008